Nur wenige haben einen Einblick in die Geld- und Finanzwirtschaft und wissen, wie diese hinter den Kulissen funktionieren. Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, schauen wir uns heute Anleihen an. Diese haben eine wichtige Funktion für die Finanzwirtschaft sowohl von Staaten als auch Unternehmen und spielen eine zentrale Rolle bei der Geldschöpfung.
Der Anleihenmarkt ist mit einem Marktvolumen von knapp 133 Billionen US-Dollar (2022; Quelle) der größte Markt überhaupt. Größer als Aktien- oder Immobilienmärkte, größer als Rohstoff- und Devisenmärkte. Er ist sogar größer als das weltweite BIP (Bruttoinlandsprodukt), also größer als das, was die ganze Welt in einem Jahr an Waren und Dienstleistungen produziert.
Was sind Anleihen
Doch was sind Anleihen überhaupt? Im englischen werden Anleihen “Bonds” genannt und gehören in die Kategorie des „fixed Income“ bzw. der festverzinslichen Wertpapiere. Anleihen sind Schuldverschreibungen die meist feste Zinszahlungen bieten. Wer Anleihen kauft, gewährt dem Emittenten einen Kredit und ist damit Gläubiger. Im Gegensatz zu Aktien, bei denen es sich aus Sicht des Emittenten um Eigenkapital handelt, sind Anleihen also Fremdkapital.
Die Emittenten von Anleihen lassen sich grob in 3 Kategorien aufteilen:
- Staaten: Finanzierung des Staatsdefizits (Staatsanleihen)
Der Staat kann sich über zwei Arten finanzieren: Einzug von Abgaben und Steuern sowie Ausgabe von Staatsanleihen. (Raus? Für beides haften die Bürger des jeweiligen Landes.) Staaten nehmen (Staats-)Anleihen auf, um Staatsausgaben und Investitionen zu finanzieren. - Banken: Refinanzieren mit der Emission von Anleihen Kredite bzw. ihr Aktivgeschäft.
- Unternehmen: Das Fremdkapital aus Anleihen wird meist für die Finanzierung von Investitionen genutzt.
Der Klassiker unter den Anleihen ist sicherlich die Staatsanleihe. Diese gilt als besonders sicher da die Bürger des jeweiligen Staates mit ihrer Wirtschaftsleistung für die Schulden haften. Als besonders sicher gelten solche, die von Industrienationen mit einer starken und soliden Wirtschaft ausgegeben werden. Der Löwenanteil der Staatsanleihen konzentriert sich dabei mit knapp 40% und 51,3 Billionen US-Dollar auf die USA (2022; Quelle). Deutschland landet mit 3,7 Billionen US-Dollar auf Platz sieben. Das ist der Tatsache geschuldet, dass die USA immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt sind und mit der Wallstreet den größten und liquidesten Finanzmarkt besitzen. Zudem stellen die USA die Weltreservewährung in Form des Petrodollars. Die Staatsanleihen der USA gelten daher als sehr sicher und sind entsprechend beliebt. Dabei gibt es die sogenannten US-Treasuries in verschiedenen Laufzeiten: Bills: bis zu 1 Jahr, Notes: 2 – 10 Jahre, Bonds: 10 Jahre und länger. Auch andere Länder geben Anleihen mit verschiedenen Laufzeiten aus, die teils ebenfalls eigene Namen tragen.
Das genau Gegenteil von den sicheren Staatsanleihen sind die sogenannte Junk Bonds also Müll-Anleihen die meist von Unternehmen ausgegeben werden und die die Anleger mit besonders attraktiven Renditen locken. Entsprechend hoch sind hier allerdings auch die Risiken.
Aber warum geben Unternehmen Anleihen aus, anstatt beispielweise (weiter) Aktien auszugeben? Bei Aktien (Eigenkapital) haben die Aktieninhaber in vielen Fällen ein Mitspracherecht was das Unternehmen oder die Firmenentscheidungen angeht (auf den sogenannten Hauptversammlungen). Das gilt bei der Aufnahme von Fremdkapital über den Anleihenmarkt nicht. Hier ist die Firma niemandem Rechenschaft schuldig und es gibt kein Mitspracherecht der Anleihen-Inhaber. Durch den Kauf einer Anleihe wird man nicht zum Teilhaber, lediglich zum Gläubiger.
Für den Anleger haben Anleihen wiederum den Vorteil, dass bei einer Insolvenz des Unternehmens erst die Fremdkapitalgeber (Besitzer von Anleihen) berücksichtigt werden und erst dann die Eigenkapitalgeber (Besitzer einer Aktie). Als Fremdkapitalgeber hat man in der Regel also eine höhere Sicherheit, dafür aber eventuell auch eine kleinere Rendite. Denn die Kurse von Anleihen schwanken während der Laufzeit selten so stark wie Aktienkurse und der Rücknahmewert ist fix. Die Rückzahlung ist verpflichtend.
Kauf und Handel von Anleihen
Anleihen sind Wertpapiere. Um diese zu handeln, benötigt man wie bei Aktien ein Depot bei einer Bank oder einem Broker. Anleihen können als auch ETFs oder Investmentfonds gekauft werden, die dann mehrere Wertpapiere oder Anleihen bündeln. Diese Fonds streuen das Risiko auf verschiedene Wertpapiere, kosten aber jährliche Verwaltungsgebühren, was die Rendite schmälert.
Die wichtigsten Begriffe rund um Anleihen
Nennwert: Ist der Geldbetrag, der auf der Anleihe steht, zur der sie ausgegeben und in der Regel auch zurückgezahlt wird (nach Ende der Laufzeit). Bei US-Staatsanleihen ist beispielsweise eine Stückelung von 100 oder 1.000 USD üblich.
Anleihe-Kurs oder Kurswert: Ist der aktuelle Marktpreis der Anleihe (auch Anleihe-Preis). Dieser wird in der Regel als Prozentwert des Nennwerts angegeben. Dieser ändert sich im Laufe der Zeit ständig, abhängig von verschiedenen Faktoren wie Marktzinsen, Bonitätsbewertungen, Laufzeiten und dem daraus entstehenden Angebot/Nachfrage Verhältnissen. Ein Kurs von 100% entspricht also genau dem Nennwert der Anleihe. Ein Kurs von 120% bedeutet, dass der Wert der Anleihe um 20% gegenüber dem Nennwert der Anleihe gestiegen ist.
Restlaufzeit: Das ist der Zeitraum, in dem der Emittent der Anleihe verpflichtet ist, Zinszahlungen an die Anleihe-Gläubiger zu leisten und den Nennbetrag der Anleihe bei Fälligkeit zurückzuzahlen. Die Restlaufzeit ist ein wichtiger Faktor bei der Bewertung und dem Risiko von Anleihen. Je länger die Restlaufzeit, desto länger ist das Kapital des Anlegers in der Anleihe gebunden. Je länger die Laufzeit, desto größer das Risiko von Zinsänderungen oder Bonitätsänderungen (oder anderen marktbezogenen Risiken).
Kupon (Anleihe-Zins, oder Nominalzinssatz): Stellt die eigentliche Zinszahlung auf die Anleihe dar. Dieser ist von Anfang an und über die gesamte Laufzeit festgelegt und wird in der Regel jährlich, halbjährlich oder vierteljährlich ausbezahlt. Dabei kann der festgelegte Zins über den gesamten Zeitraum gleichbleiben oder sich stufenweise erhöhen oder verringern. Er wird entweder als fixer Betrag in der entsprechenden Währung oder als Prozentsatz bezogen auf den Nennwert angegeben.
(Anleihen-) Rendite: Ist die Rendite, die ein Anleger mit einer Anleihe erzielt, bezogen auf den aktuellen Kurs. Dabei schwankt die Rendite mit dem Kurs der Anleihe nach oben oder nach unten, denn Anleihen werden in der Regel wie Aktien tagesaktuell gehandelt und unterliegen Kursschwankungen (siehe Anleihe-Kurs).
Rendite-Kurs-Beziehung: Steigt der Kurs einer Anleihe (über seinen Nennwert; also höher als 100%) so sinkt automatisch die Rendite, die der Anleger mit einer Anleihe erzielt. Andersrum gilt dasselbe; Sinkt der Anleihe-Kurs unter 100% steigt die Rendite im Verglich zum Kupon. Das ist ein rein rechnerisches Phänomen, denn die Anleiherendite berücksichtigt den aktuellen Anleihe-Kurs, den Kupon, den der Emittent zahlt (immer auf den Nennwert) sowie die Laufzeit bis zur Fälligkeit. Kann also ein Anleger eine Anleihe besonders günstig kaufen, bekommt er rechnerisch eine höhere Rendite aufgrund des günstigen Kaufpreises. Der Kupon, den der Emittent auf den Nennwert der Anleihe zahlt, bleibt dabei aber immer gleich. Nominale und reale Rendite: Die nominale Rendite ist die Rendite die der Käufer der Anleihe zum Kaufzeitpunkt versprochen bekommt. Die reale Rendite ist die Rendite, die ein Anleger nach Abzug der Inflation erzielt. Sie wir daher auch als inflationsbereinigte Rendite bezeichnet. Damit ist sie ein wichtiger Maßstab für die tatsächliche Kaufkraftsteigerung eines Investments. Trotz guter nominaler Rendite kann so die reale Rendite in inflationsstarken Jahren negativ sein.
Warum (Staats)Anleihen bei stark steigenden Zinsen crashen
Hebt eine Zentralbank wie die FED (Federal Reserve; Zentralbank der USA) die Zinsen (in dem Fall für den USD) stark an, wie in 2022 geschehen, verlieren bereits ausgegebene Staatsanleihen schnell an Wert. Da diese zu einem Zeitpunkt günstigerer Zinsen ausgegeben wurden bringt eine Investition in langlaufenden und nun zinsschwachen Papieren kaum noch konkurrenzfähige Renditen. Erst mit dem Absinken des Anleihe-Kurses steigt die Anleihen-Rendite wieder an und wird so für Anleger eventuell wieder attraktiv. Kommt zu den steigenden Leitzinsen der Zentralbanken ebenfalls noch Inflation hinzu (eine steigende Inflation ist meist der Anstoß für eine straffere Geldpolitik und steigende Leitzinsen), fällt die reale Rendite von langlaufenden Anleihen oft ins Negative. So kann es passieren, dass der Anleihe-Kurs der normalerweise stabilen, langfristigen Staatsanleihen weit unter den des Nennwertes sinkt.
Abgesehen von Zentralbanken werden die meisten Staatsanleihen von großen institutionellen Investoren (Banken, Versicherungen, Pensionsfonds) gehalten. Steigen die Zinsen stark an, fallen die bereits bestehenden Anleihen die in den Depots der Investoren liegen im Wert bzw. im Anleihe-Kurs. Staatsanleihen gelten als sogenanntes „pristineCollateral“ also als makellose Sicherheit, die zur Absicherung vieler Geschäfte genutzt werden. Wenn nun der reale Marktwert großer Anleihen Bestände sinkt, sinken auch die Sicherheiten solcher großen Investoren und Banken und sie müssen weitere Sicherheiten nachschießen. Das kann zu massivem Stress im Finanzsystem führen und teils auch zu Pleiten (siehe Bankenpleite Silicon Valley Bank im Frühjahr 2023).
Anleihezinsen und der Finanzmarkt
Steigende und fallende (Staats)Anleihezinsen haben Einfluss auf alle anderen Märkte. Steigen die Zinsen für Anleihen an, sinkt die Risikobereitschaft Geld im Aktien-, Rohstoff- oder Immobilienmarkt zu investieren. So kann es passieren, das Geld aus diesen Märkten abgezogen und in Anleihen verschoben wird, denn Anleihen gelten als sehr sicher und bringen so eine risikoarme Rendite. Dieser Effekt wird von der oft vorangegangenen Inflation abgemildert, die wiederum die realen Renditen der Anleihen abschwächen.
Auch auf den Devisenmarkt haben Staatsanleihen Auswirkungen. Steigen die Zinsen für die Staatsanleihen eines Landes im Vergleich zu denen eines anderen Landes an (bei sonst gleichbleibender Entwicklung), so wird auch der Währungskurs des Landes davon profitieren. Der attraktivere Zins zieht Anleger und damit Kapital in den entsprechenden Währungsraum; die höhere Nachfrage sorgt für einen höheren Preis.